SPÖ-Konsumentenschutzsprecher Markus Vogl
„Regierung säumig bei Konsumentenschutz – SPÖ fordert Initiativen für mehr Lebensmittel- und Trinkwassersicherheit und Gesetz für Gruppenklage“
Konsumentenschutz auf dem Abstellgleis
Seit Antritt der ÖVP-FPÖ-Regierung ist der Konsumentenschutz völlig in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. Schon im Regierungspapier hat sich außer einer abstrusen Forderung nach einer Verstaatlichung des VKI kein Vorhaben der Regierung gefunden.
Dass die Bundesregierung dem Konsumentenschutz nur geringe Bedeutung beimisst sieht man auch daran, dass in dieser Legislaturperiode bisher nur eine Sitzung des zuständigen Ausschusses stattgefunden hat, die nächste ist erst für Ende des Jahres 2018 angesetzt. Themen und Anträge wurden bisher nur von der Opposition eingebracht!
Dabei gibt es dringende Herausforderungen.
Sauberes Trinkwasser – Dürre und Hitzeperioden steigern das Bewusstsein
Angesichts der anhaltenden Hitze in Österreich und der Dürre in ganz Europa steigt das Bewusstsein für die Bedeutung von Wasser und vor allem sauberem Trinkwasser.
So zeigt der aktuelle Kampf der BürgerInnen von Vittel gegen den Großkonzern Nestle die grundlegende Problematik auf: Wem gehört das immer knapper werdende Trinkwasser? Den Menschen, der Gemeinde Vittel oder dem Konzern Nestle?
Der Kauf von Sodastream durch Pepsi deutet an, welche Bedeutung der Wassermarkt in Zukunft haben wird. Schon heute setzt Nestle 3,5 Mrd. mit Wasser um. Der Kampf um sauberes Trinkwasser und den freien Zugang dazu wird also an Bedeutung gewinnen.
In Österreich ist Trinkwasser glücklicherweise noch ausreichend vorhanden, aber dennoch mit zahlreichen regionalen Herausforderungen verbunden. Beispiele dafür sind die Verunreinigung von Trinkwasser nach starken Regenfällen im Mühlviertel, oder die Tatsache, dass die oö. Gemeinde Sierning einen zusätzlichen Brunnen erschließen musste, weil der bestehende Brunnen nach wie vor einen zu hohen Atratzinwert ausweist, obwohl diese Substanz seit Mitte der 1990er Jahren verboten ist. Sauberes Trinkwasser ist auch in Österreich nicht automatisch garantiert!
Österreich: Sauberes Trinkwasser durch vorsorgenden Grundwasserschutz
Allen Österreicherinnen und Österreichern muss sauberes Trinkwasser in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Sauberes Trinkwasser ist Voraussetzung für ein gesundes Leben und wesentlich für die Gesundheit v.a. von Kleinkindern. Wasser stellt nicht nur das wichtigste Lebensmittel dar, sondern ist auch für die Produktion von Lebensmitteln essentiell. Trinkwasser soll in Österreich nicht aufbereitet sein müssen, sondern aus frischer Quelle oder sauberem Grundwasser stammen.
Entscheidend ist daher vorsorgender Grundwasserschutz, um Einträge (wie Nitrate oder Pestizide) in Grundwasserkörpern oder Quellen zu vermeiden. Die klimatischen Veränderungen – insbesondere die regionsspezifische geringere Niederschlagsmenge – bedingen bereits bei nur geringen Überschüssen der Düngemenge erhöhte Sickerwasserkonzentration und in weiterer Konsequenz erhöhte Nitratwerte im Grundwasser. Die Nitratsituation hat sich in den vergangenen Jahren kaum verbessert, in manchen Regionen sogar verschlechtert.
Dabei ist das Problem der Nitratbelastung bekannt: Infolge intensiver landwirtschaftlicher Bewirtschaftung weisen Gegenden wie das Marchfeld oder eher trockene Regionen wie das Burgenland oder die Südoststeiermark einen zu hohen Nitratgehalt auf.
Viele Hausbrunnenbesitzer können ihre Brunnen nicht mehr für Trinkwasserzwecke nutzen. Die neuesten Tests der AK OÖ zeigen auf, dass die Wasserqualität der Hausbrunnen zum Teil besorgniserregend ist.[1] 572 KonsumentenInnen haben eine Wasserprobe abgegebenen. Davon wiesen 115 Proben Nitrat-Werte über dem zulässigen Höchstwert von 50 Milligramm pro Liter (mg/l) auf, 13 davon lagen sogar über 100 mg/l.
Ein negativer Nitrat-Spitzenwert wurde mit 211 mg/l in Eferding gemessen. In der Gemeinde Sierning (Steyr-Land) waren 52,4 Prozent aller Hausbrunnenwasser über dem gesetzlichen Grenzwert, in Pupping (Eferding) 45,2 Prozent und in Steinhaus bei Wels (Wels-Land) 42,1 Prozent.
Insbesondere Klein- und Kleinstkinder sind bei entsprechenden Belastungen durch Nitrat gefährdet. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt für die Zubereitung von Säuglingsnahrung den Wert von 10 mg/l möglichst nicht zu überschreiten. Sehr hohe Nitratkonzentrationen können im Körper zu Nitrit umgewandelt werden und den Sauerstoffgehalt im Blut beeinträchtigen (Blausucht). Anders als bei bakterieller Verunreinigung verbessert das Abkochen des Wassers nicht dessen Qualität. Im Gegenteil: Dadurch wird das Nitrat im Wasser nur noch stärker konzentriert!
Eine Parlamentarische Anfrage durch Nationalratsabgeordneten Markus Vogl im Mai 2018 (https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/J/J_00902/index.shtml) an die zuständige Bundesministerin Köstinger zur gleichbleibend hohen Nitratbelastung des Grundwassers in Gebieten mit intensiver Landwirtschaft hat offen gelegt, dass im Jahr 2015 Überschreitungen des Jahresmittelwertes von 45 mg/l Nitrat im Grundwasser bei 200 Messstellen (von 1.957) gemessen wurden, im Jahr 2017 bei 196 Messstellen von 1944. Bei einem Viertel der Messstellen ist sogar ein steigender Trend seit dem Jahr 2011 zu beobachten.[2]
Dieser Trend widerspricht an sich dem Wasserrechtsgesetz, das eine schrittweise Reduzierung der Verschmutzung des Grundwassers vorsieht und eine weitere Verschmutzung verhindern soll.
Zu befürchten ist, dass – verstärkt durch die geringe Niederschlagsmenge – in Gebieten mit intensiver landwirtschaftlicher Nutzung die Nitratkonzentration wieder an etlichen Messstellen den Schwellenwert überschreiten wird.
Die Forderungen:
- transparente österreichweite Erfassung der Düngungs-Aufzeichnungen
- Maßnahmenpaket zur Änderung der Düngepraxis und Reduktion des Düngemitteleinsatzes in der konventionellen Landwirtschaft
- pestizidfreie Regionen zum Schutz und zur Erholung von Böden/Wasser
- EU-weite Vorgabe für Agrarumweltprogramm-Förderungen bei Verzicht auf chemisch-synthetische Pestizide (diesbezüglich liegen SPÖ-Anträge bereits im Parlament)
- verstärkte Förderung grundwasserschonender Anbaumethoden.
Für Glyphosat-Verbot aktiv werden
Gefahr droht Anwendern und Konsumenten auch durch den Einsatz gefährlicher Unkrautvernichtungsmittel. Zu den umstrittensten gehört der Wirkstoff Glyphosat, den die zur Weltgesundheitsorganisation WHO gehörende Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) vor drei Jahren als “wahrscheinlich krebserregend bei Menschen” eingestuft hat. Basierend auf dieser und anderen Experteneinschätzungen wurde erst vor wenigen Wochen der Agrarkonzern Monsanto zur Zahlung von 289 Millionen Dollar (253 Millionen Euro) Schmerzengeld verurteilt, weil seine glyphosathaltigen Unkrautvernichtungsmittel Krebs verursacht haben sollen.
Das Land Kärnten hat erst gestern einen Gesetzesentwurf verabschiedet, mit dem der Weg für ein weitreichendes Verbot freigemacht werden soll. Der Entwurf muss jetzt der EU-Kommission zur Notifizierung weitergeleitet werden. Mit dem Gesetzesentwurf des Kärnten, der ein generelles Verbot der Anwendung von biologisch nicht abbaubaren Pflanzenschutzmitteln durch private Anwender vorsieht, wäe ein wichtiger Schritt zum Gesundheitsschutz der Bevölkerung getan.
Die Forderungen:
- Die schwarz-blaue Regierung soll sich – nach Vorbild der Kärntner SPÖ – endlich für ein Anwendungsverbot für alle biologisch nicht abbaubaren Pestizide einsetzen.
- Die Regierung soll sich auf EU-Ebene für ein europaweites Glyphosat-Verbot stark machen.
Gentechnikverordnung (GVO): Freiheit in Gefahr
Auf europäischer Ebene hat gerade Frankreich eine Entscheidung des EUGH angestrebt, um neue Züchtungsmethoden aus dem Gentechnikregime auszunehmen. Österreich hat in Punkto Gentechnikfreiheit immer eine Vorreiterrolle in Europa eingenommen. So wurde erst im letzten Jahr bei Hühnern in Österreich auf eine gentechnikfreie Fütterung umgestellt.
Gerade deshalb ist es nicht verständlich, wie passiv die österreichische Bundesregierung auf diesen Vorstoß reagiert hat. Hätte der EUGH nicht in seiner Entscheidung am 27. Juli diesen Vorstoß abgewehrt, würde innerhalb kürzester Zeit auch in Österreich gentechnisch verändertes Saatgut zum Einsatz kommen.
Die beiden zuständigen Ministerinnen Köstinger und Hartinger-Klein wurden selbst dann nicht aktiv, als von SPÖ-Seite längst ein Antrag eingebracht wurde, für den Fall, dass durch das Urteil eine rechtliche Lücke entstanden wäre und mit neuer Gentechnik veränderte Pflanzen in Österreich unkontrolliert und ohne Kennzeichnung gelandet wären. Österreich hatte bloß Glück, dass der EUGH den Vorstoß abgelehnt hat, die Ministerinnen haben ihren Auftrag der WählerInnen auf gröbste vernachlässigt.
Allerdings ohne eine Kennzeichnung für den Konsumenten. Dabei gibt es, wie zahlreiche Initiativen des Handels und anderer Länder zeigen, ein massives Bedürfnis der Konsumentinnen und Konsumenten nach einer transparenten und nachvollziehbaren Lebensmittelkennzeichnung. Noch ist diese gewährleistet.
SP-Konsumentenschutzsprecher Markus Vogl fordert daher:
- Österreich muss weiterhin gentechnikfrei bleiben. Dies kann aber nur mit lückenloser Kennzeichnung jeglicher Veränderung am Erbgut garantiert werden.
Orientierung im Gütezeichenwald
Der Wildwuchs bei Gütesiegeln bedarf seit vielen Jahren einer politischen Lösung. In Österreich existieren über 104 verschiedene Zeichen. Der Großteil davon sind Marken von Handelsketten (zB. Ja Natürlich!, Zurück zum Ursprung, Alnatura, etc.) oder regionale Zusammenschlüssen von (Bio)Betrieben und ErzeugerInnen. Die Vergabekriterien, die Überprüfbarkeit der Angaben und die (externe) Kontrolle sind dabei sehr unterschiedlich. Für KonsumentInnen ist der Unterschied zwischen echter Qualitätsware und reinem Marketinggag nicht erkennbar.
Viele Handelsmarken oder Bio-Labels gehen weit über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus, haben strengere Qualitätserfordernisse oder berücksichtigen zusätzliche Dimensionen wie regionale Wertschöpfung, Nachhaltigkeit oder soziale Aspekte. Sie verfolgen durchaus noble Ziele. Das Problem bleibt nur: wie soll der/die einzelne KonsumentIn in diesem Dickicht durchblicken, vergleichen und priorisieren können? Die Verantwortung liegt nicht beim Einzelnen – hier ist die Politik gefragt verbindliche Mindeststandards und Rahmenbedingungen zu definieren.
SPÖ-Konsumentenschutzsprecher Vogl fordert:
- Einführung eines rechtlich verbindlichen, einheitlichen Gütesiegelgesetzes, das es den KonsumentInnen erlaubt, eine bewusste Entscheidung für oder gegen ein Produkt zu treffen.
Frist für Klage im VW Dieselskandal läuft mit 18. September aus
In Österreich sind rund 360.000 Fahrzeuge vom VW Dieselskandal betroffen. Der VKI geht von einer Wertminderung von 20 Prozent und von Folgeschäden durch das Softwareupdate aus. Es geht um Dieselmotoren des Typs EA 189 der Marken VW, Audi, Seat und Skoda, die der deutsche Autokonzern mit Hilfe einer unzulässigen Motorsteuerungssoftware manipuliert hat, um den Stickstoffausstoß bei Abgastests zu senken.
Tausende österreichische VW-KundInnen haben sich bereits über den VKI als Privatbeteiligte den strafrechtlichen Ermittlungen gegen Volkswagen angeschlossen. Die Quote, die der Prozessfinanzier erhält, ist abhängig davon, in welchem Stadium der Streit beendet wird, beträgt aber mindestens 10 Prozent. Sollte es bis zum Höchstgericht in die dritte Instanz gehen, beträgt die Quote 37,5 Prozent. Für die Teilnehmer der VKI-Klage gibt es abseits des Organisationsbeitrags keine Kosten. Heuer am 18. September verjähren die Ansprüche aus dem 2015 bekannt gewordenen Abgasmanipulationsskandal.
Eine “echte” Sammelklage gibt es aber in Österreich nicht. Für die Klagen gegen VW müssen die Konsumentenschützer in die juristische Trickkiste greifen: Die Verjährung wird über einen Privatbeteiligtenanschluss an das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft (WKStA) unterbrochen, gleichzeitig muss der Betroffene seine Ansprüche an den VKI abtreten, der dann als Kläger auftritt. Umso dringender erscheint hier eine Stärkung des Verbraucherschutzes.
Forderungen:
Ein modernes Gruppenklagsrecht, das folgende Kriterien erfüllt:
- Niederschwelliger Zugang: Einleitung eines Verfahrens soll ermöglicht werden, wenn mind. zehn Personen Ansprüche geltend machen, die gleiche Tat- oder Rechtsfragen aufwerfen
- Gruppenverfahren sollen keine Sperrwirkung gegenüber Individualverfahren haben
- Verjährung ist bis sechs Monate nach rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens gehemmt
- Forderung nach Abschöpfung der durch die Rechtsverletzung erzielten Gewinne
- Werden internationale Konzerne geklagt, verliert man bei der heutigen Sammelklage die Möglichkeit in Österreich zu klagen, da der Firmensitz entscheidend ist. Dies soll mit einem modernen Gruppenklagsrecht verhindert werden.
- Durch die Bündelung der Ansprüche soll eine Explosion der Gerichtskosten verhindert werden – das hilft den betroffenen Konsumentinnen und Konsumenten.
[1] https://ooe.arbeiterkammer.at/service/testsundpreisvergleiche/tests/Trinkwasser_enthaelt_Schadstoffe.html
[2] https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/AB/AB_00919/imfname_704862.pdf